Geflüchtete an der Uni Bremen

Februar 2016

An drei Orten auf dem Campus der Uni Bremen leben derzeit geflüchtete Menschen. In der Sporthalle an der Grazer Straße sind 100 Minderjährige untergebracht, in den Zelten hinter dem NW1 leben 400 Frauen, Männer und Kinder und das Zelt am Fallturm, welches noch im November aufgrund mangelnder Winterfestigkeit geräumt wurde, wird derzeit (im Januar!) wieder von 120 Menschen bezogen.

An der Universität gibt es viele Menschen, die sich auf verschiedene Arten engagieren und mit den Geflüchteten in Kontakt treten. Ein Beispiel ist die ehrenamtliche Refugees Welcome AG, welche von Sportangeboten und Deutschkursen bis hin zu kulturellen Begegnungen seit Monaten unermüdlich vieles möglich macht. Um neben der gelebten Solidarität hier in Bremen die politische Dimension der aktuellen Migrationsbewegungen aufzuarbeiten, werden seit Dezember vom Arbeitskreis „Grenzen töten“ verschiedene Texte veröffentlicht, aber auch Workshops und Veranstaltungen organisiert.

Was aber kommt von Seiten der Universität?

Das von der Uni-Leitung initiierte Vorzeigeprojekt IN-Touch wird inzwischen sogar auf den Seiten der Europäischen Kommission lobend erwähnt. Seit dem Sommersemester 2014 können Geflüchtete im Rahmen dieses Programms als Gasthörer*innen an Seminaren und Vorlesungen teilnehmen. Laut der Konrektorin für Internationalität und Diversität, Prof. Dr. Karakaşoğlu, handelt es sich um einen „humanitären Beitrag zur unmittelbaren und unbürokratischen Herstellung des Zugangs zu akademischen Bildungsangeboten“. Das mag nett klingen, charakterisierend für den „Gasthörer*innen“-Status ist jedoch, dass für die Teilnehmenden keine Möglichkeit besteht, Prüfungsleistungen zu erbringen, oder ein Semesterticket zu erhalten. Selbst eine „aktive Teilnahme“ kann bei der späteren Aufnahme eines regulären Studiums nicht angerechnet werden. Stattdessen wird am Ende des Semesters ein Zertifikat ausgestellt, das (jedenfalls nach Auskunft zuständiger Behörden) jedoch weder positiven Einfluss auf den Ausgang des Asylverfahrens hat, noch irgendeine qualifizierende, beziehungsweise anrechenbare Leistung dokumentiert.

Dem gegenüber steht der Beschluss des Studierendenrates (SR) vom 16.11.2015, der unter dem Titel „Uni offen für Geflüchtete!“ weitreichendere Maßnahmen fordert. Demnach soll Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus ein einfacher, von Finanzierungsfragen nicht erschwerter und unbürokratischer Zugang zu einem regulären Studium ermöglicht werden. Das IN-Touch Programm sieht der SR hingegen nicht als maßgebliche Verbesserung der Situation von Geflüchteten, sondern vielmehr als ein Prestigeprojekt der Universität.

Dieser Vorwurf wird von der verantwortlichen Konrektorin vehementbestritten, schließlich sei IN-Touch als unmittelbare Reaktion auf eine Anfrage von einem Bewohner eines Über-gangswohnheims gestartet worden. Zudem, so das Rektorat, unterstütze die Universität ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätige Hochschulangehörige sowohl finanziell als auch
logistisch. Bis auf zur Nutzung bereitgestellte Räumlichkeiten stellt sich hier jedoch die Frage, welche von der Universität kommende logistische Unterstützung gemeint ist. Auf der Uni-eigenen Homepage www. uni-bremen.de/Flüchtlinge wird neben der ehrenamtlichen studentischen AG Refugees Welcome jedenfalls nur auf Stadtgruppen und -initiativen verwiesen. Ein weiteres von der Uni-Leitung angeführtes Beispiel für finanzielle Unterstützung ist die kürzlich stattgefundene Verleihung eines Preises an die AG Refugees Welcome. Dieser wurde für ihr besonderes ehrenamtliches Engagement ein Preisgeld von 1000 Euro übergeben. Wie sehr diese Preisverleihung das Image der Uni aufputzen soll, wird in der herausgegebenen Pressemitteilung deutlich. Hier wird von exzellenter ehrenamtlicher Arbeit als einem Beispiel für eine exzellente Universität und eine ebenso exzellente Studierendenschaft gesprochen. Vermeintlich anerkennend wurde zudem eine studentische Hilfskraftsstelle geschaffen, sodass nun zumindest eine aktive Person aus der AG von der Uni für ihr Engagement bezahlt wird.

Dieses Vorgehen der Uni-Leitung ist prototypisch für ein Staatswesen, dessen institutionelles Versagen bei der Aufnahme, Unterbringung, Betreuung, Förderung und Integration von Geflüchteten schon seit Jahren nur durch den unermüdlichen Einsatz von Gruppen und Privatpersonen kaschiert werden kann.

Anstatt Geflüchteten die Aufnahme eines Studiums und die vollwertige Teilhabe am Student*innenleben zu ermöglichen, schmückt sich die Universität mit einem letztlich konsequenzlosen Prestigeprojekt und fällt bei der Unterstützung einer die eigene Untätigkeit nach Kräften ausgleichenden studentischen Initiative auf zwei universitäre Grundkompetenzen zurück: Der Verleihung von Preisen und der Schaffung von prekären Beschäftigungsverhältnissen.

TantePaul-Kollektiv (Veröffentlich in der TantePaul #13)