Von exzellenten Leuchttürmen in einer Bildungswüste

2012

Aus gegebenen Anlass…

„Wir wollen exzellent sein.“ Diesen Satz bekommen wir an der Uni in letzter Zeit immer wieder zu hören. Doch was verbirgt sich dahinter? Was bedeutet es exzellent sein? Und warum erfahren wir Studierende über solch zukunftsentscheidende Projekte nur unter Umständen, ja werden in den Entscheidungsprozess überhaupt nicht mit einbezogen?

Vor einiger Zeit bewarb sich die Universität Bremen für eine auf Forschung ausgerichtete finanzielle Förderung mit dem Titel „Exzellenzinitiative“. Unter dem Motto „Ambitioniert und Agil“ haben Vertreter_innen der Uni ein Konzept für die 3. Linie der Exzellenzinitiative entwickelt, das zwar offiziell die Uni als Ganzes einbezieht, allerdings mit Worten wie Forschungsuniversität andere Tatsachen schafft und diese auch weiter manifestiert.
In diesen Tagen findet an der Uni Bremen nun die sogenannte Exzellenz-Begehung statt, auf die sich die Universitätsleitung und ausgewählte Mitglieder der Uni schon seit Monaten mit Workshops und einem extra dafür erstellten Frage- & Antwort-Katalog vorbereiten. Alle für die Unileitung wichtigen politischen Entscheidungen wie zum Beispiel die Rektorwahl im Dezember 2011 wurden in aller Eile vor der Exzellenz-Begehung getroffen, um einen potentiellen Minuspunkt aus Sicht der Delegation zu vermeiden. Seit November trifft sich die Spitze der Universität um für dieses Ereignis zu üben. Das wichtigste dabei ist die vollkommene und kritiklose Unterstützung der Exzellenzinitiative durch die komplette Universität. Dementsprechend kam nicht nur die Konrektorin für Studium und Lehre Heidi Schelhowe zu Stugenkonferenz und Semestergipfel, auch Rektor Müller in Person ließ sich auf letzterem Gipfel im Dezember blicken, um uns Studierende von der „Guten Sache“ zu überzeugen. Zu jenem Zeitpunkt waren alle Entscheidungen schon längst gefällt und das fertige, von der Uni entwickelte Zukunftskonzept existierte bereits seit über einem halben Jahr.

Die international besetzte Delegation von Professor_innen wird abseits vom alltäglichen Unitrubel im MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften von insgesamt 40 sorgfältig ausgewählten Mitgliedern der Uni empfangen und ganze drei Tage lange von eben diesen bespaßt. Geldgebende Freund_innen der Uni, Vertreter_innen aus Industrie und Wirtschaft und hochrangige Politiker_innen wie die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper dürfen selbstverständlich nicht fehlen und sprechen mit der Delegation noch vor den Mitgliedern des Akademischen Senats (AS), immerhin dem höchsten Entscheidungsgremium der Uni.
Was ist die Elite Exzellenzinitiative ? – Entstehungsrahmen 

Diese Begehung ist Teil des bundesweiten Wettbewerbs zur Förderung universitärer Forschung, welcher 2005 im Streben nach Elite Exzellenzuniversitäten von Bund und Ländern ins Leben gerufen wurde. Mit dieser Initiative reagierte die Bundesregierung auf das Lissabon-Programm von 2000, in dem sich die EU-Mitgliedsstaaten verpflichteten, in ihre Bildungs- und Wissenschaftssysteme zu investieren, um Europa so bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Die Elite Exzellenzinitiative (ExIni) wurde 2009 fortgesetzt, um „den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig [zu] stärken, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit [zu]verbessern und Spitzenforschung an deutschen Hochschulen sichtbar [zu] machen“(BMBF).

Ein vergleichender Blick auf das Budget der ExIni mit dem des Qualitätspakts macht die einseitige Förderung der Forschung deutlich. So stehen der ExIni für den Förderzeitraum von 2006 bis 2017 insgesamt 4,6 Mrd. Euro, (erste Runde 1,9 Mrd. Euro, zweite Runde 2,7 Mrd. Euro) zur Verfügung, für das Programm „Qualitätspakt Lehre“ sind es für 2011-2020 lediglich rund 2 Mrd. Euro. Doch ist diese Entwicklung keine neuartige: Denn schon seit „Mitte der 1980er Jahre erhalten die deutschen Hochschulen bei ständig wachsenden Studierendenzahlen finanzielle Zuwächse nur noch selektiv für ausgewählte Bereiche der Forschungsförderung (sog. „Drittmittel“), während die Finanzierung für Studium und Lehre im Wesentlichen eingefroren wurde.“ (aus AK 522: Die Konstruktion eines wissenschaftlichen Elite)

Das Programm und die Förderlinien 

Die Beurteilung über den Status „exzellent“ oder „gewöhnlich“, Sieger oder Verlierer nimmt eine gemeinsame Kommission aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Wissenschaftsrat (WR), die beratende Institution der Regierung in Sachen Hochschulen, Wissenschaft und Forschung, vor.

Sie entscheidet, welche Anträge gefördert werden. Wer es in die Dritte Runde einmal geschafft hat, darf sich bei Auszeichnung einer Graduiertenschule (Ausbildung von Doktorand_innen, an der Uni Bremen in der Ersten Runde der ExIni das GLOMAR -Global Change in the Marine Realm und in der Zweiten Runde die „Bremen International Graduate School of Social Sciences“) für fünf Jahre jährlich auf 1 Mio. Euro bis 2,5 Mio. Euro, bei einem Exzellenzcluster (Spitzenforschung zu einem Thema, an der Uni Bremen das MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften) auf 3 Mio Euro bis 8 Mio. Euro freuen. Bei Anerkennung eines Zukunftskonzeptes teilen sich die Gewinner_innen jährlich 142 Mio. Euro. Dies sind die drei Förderlinien, welche die Ziele der Exzellenzinitiative – Nachwuchsförderung, Aufbau interdisziplinärer Forschungsverbände und strategische Entwicklung – an den Universitäten voranbringen sollen.

Die ausgeschriebenen Kriterien lassen sich grob mit „bereits hervorragender Forschung in einem breiten Wissenschaftsgebiet“, „internationale Vernetzung sowie Vernetzung der Disziplinen“ und „außeruniversitäre Kooperationsvereinbarungen“ umreißen. Allerdings bleibt trotzdem unklar, wie die Entscheidungen zustande kommen. Schauen wir uns allerdings die bisherigen Gewinner_innen an, fällt auf, dass das Gros des Geldes an die Top 20 Unis des DFG Förderrankings gehen, frei nach dem Motto „wer hat, dem wird noch mehr gegeben (die vier erfolgreichsten Unis konnten dabei ein Drittel der Mittel für sich einstreichen). Die mit der ExIni einhergehende Selbstbedienungsaktion der wissenschaftlichen Spitzenorganisationen“ (AK 522) produziert die Unterschiede, die zu messen sie vorgibt.
Auf dem Weg zum Zwei-Klassen-Hochschulsystem: Was heißt das für uns?

Es geht also um viel Geld und das kann die Uni Bremen bekanntlich gut gebrauchen. Warum also das ganze Gezeter ? Gewinnen, Geld kriegen, super … oder doch nicht?

Die Exzellenzinitiative ist neben dem Bologna-Prozess und der Einführung von Bachelor und Master sowie der zunehmenden Drittmitteleinwerbung Teil der vor Jahren eingesetzten neoliberalen Umstrukturierung des Bildungswesens. Die Einführung zahlreicher neuer, am Arbeitsmarkt orientierter „Spezialstudiengänge“, das Aufkünden der Einheit von Forschung und Lehre für die Bachelor-Studiengänge und die systematische Anwendung wissenschaftsfremder Kriterien auf die Formulierung der Studienordnungen sind unter anderem Ausdruck dieser Entwicklung.
Mit Hilfe der Exzellenzinitiative wird sich von der Idee, dass alle Universitäten im Grunde gleichwertig sind, aber auch von der Idee der Volluniversitäten als solcher verabschiedet. Stattdessen wird eine Leuchtturmpolitik betrieben, die einige wenige Studiengänge und Forschungsbereiche besonders hervorhebt und diese dementsprechend mit großen finanziellen Mitteln unterstützt. Dieses Geld jedoch fehlt wiederum an anderen Stellen der jeweiligen Universität, sodass „unrentable“ Studiengänge, wie zuletzt an der Uni Bremen das Fach Pädagogik stark abgebaut oder wie die Studiengänge Behindertenpädagogik und Sport gänzlich abgeschafft werden. In Anbetracht solcher Aussichten verstärkt sich der Druck auf die einzelnen Studien- und Forschungsbereiche.

Doch nicht nur die Konkurrenz innerhalb einer Universität nimmt zu, sondern auch zwischen den Universitäten in der BRD, in Europa, ja sogar weltweit. Unterstützt von diversen Rankings können schließlich nur die „Besten“ gewinnen. Der Rest muss sehen, wo er bleibt. Dies führt letztendlich zu einer Aufteilung der Bildungslandschaft in ein Zwei-Klassen-Hochschulsystem. Es wird unterschieden zwischen Elite und Masse und zwischen elitärer Spitzenforschung für Master-Studierende und einer Massenausbildung in Form des Bachelor, der dem Wunsch nach schnellst möglicher Ausbildung für den Arbeitsmarkt Rechnung trägt. Alles, was zählt ist die Reputation einer Uni. Schlussendlich kann nur die Uni in einem solchen Wettbewerb überleben, welche in der Lage ist ausreichend Drittmittel einzuwerben, um Spitzenforschung gewährleisten zu können. Im Vergleich zur Qualität der Forschung spielt die Qualität der Lehre eine verschwindend geringe Rolle. Indem Forschung und Lehre immer weiter an Fördermitteln ausgerichtet werden, bestimmen wirtschaftliche Interessen das Programm und den Inhalt. Unabhängige Forschung ist bereits in der heutigen Zeit eine Seltenheit.

Die Idee von Elite Exzellenzuniversitäten hat jedoch nicht nur eine bildungspolitische, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Funktion. Sie (re)produziert zum einen den herrschenden Status Quo unserer Gesellschaft und trägt zum anderen zu einer zunehmenden sozialen Selektion bei. Dank (Langzeit-)Studiengebühren, der Reduzierung von BAföG, unzureichenden (Master-) Studienplätzen, der Einführung eines NC in den meisten Studiengängen und ähnlichen selektierenden Maßnahmen wird es immer mehr nur den „Besten“ mit den reichsten Eltern vergönnt, ein Studium zu absolvieren. Diese Bildungspolitik wird in gesellschaftlich angesehenen Kreisen oft als Fortschritt im Bildungswesen angesehen, wobei das Wort Bildung, im Sinne der Lehre, in diesem Zusammenhang gleich gar keine Erwähnung findet.

Forderungen

Im Anbetracht der vorausgegangen Analyse fordern wir jedoch nicht nur ein Umdenken in der Bildungspolitik, sondern wir fordern eine ganz andere Gesellschaft! Wir fordern eine Gesellschaft, in welcher nicht Streben nach Profit und vermeintlicher Leistung im Vordergrund steht, sondern wir wollen eine Gesellschaft, in der jede_r nach seinen Bedürfnissen leben kann.

In Bezug auf das vorhandene Bildungswesen wäre ein erster Schritt die Umverteilung der Gelder. Während im Bundeshaushalt 2012 zum Beispiel das „Bundesministerium für Verteidigung“ ein Budget von 32 Mrd. Euro bewilligt bekam, sind für den Bildungs- und Forschungsbereich lediglich 13 Mrd. Euro vorgesehen. Das entspricht etwa einem Drittel von dem, was für die Infrastruktur und Auslandseinsätze der Bundeswehr etc. ausgegeben werden kann. Statt einer finanziellen Konzentration auf einige wenige Elite Exzellenzuniversitäten fordern wir eine breite und flächendeckende Finanzierung und einen bedarfsgerechten Ausbau der Hochschulen mit einer qualitativ hochwertigen Lehre und einer von Wirtschaftsinteressen unabhängigen Forschung. Der Zugang zu Bildung darf keinem_keiner verwehrt werden. Kurz gesagt: Wir wollen freie Bildung für freie Menschen!

Quellen: